Rot-grüne Koalition geplatzt
SPD beendet Gespräche – Uneins bei Nordumgehung und Finanzen
Die Pläne einer rot-grünen Koalition im neuen Rat sind geplatzt. Nach Mitteilung von Bündnis 90/Die Grünen wurden die Gespräche am Montagabend überraschend von der SPD für beendet erklärt, obwohl man sich in den Verhandlungen bereits auf der Zielgeraden befunden habe. Als letztlich ausschlaggebenden Grund für ihren Ausstieg führt die SPD grundsätzliche Meinungsunterschiede in der städtischen Finanzpolitik an.
Von Thomas Kriegisch - Nordhorn. Nach fünf Jahren wechselnder Mehrheiten wäre nach der Kommunalwahl vom 11. September mit einer Neuauflage des rot-grünen Bündnisses eine absolute Mehrheit aus fünf Ratsmitgliedern der Grünen und 17 der SPD zuzüglich der Bürgermeisterstimme möglich gewesen. Noch am Wahlabend hatte SPD-Ortsvorsitzender Harald Krebs erklärt: „Eine rot-grüne Gruppe ist im nächsten Rat eine sehr nahe liegende Option.“ Rechnerisch gebe es zu einer Neuauflage „kaum eine Alternative“.
Nun war es bei den Koalitionsgesprächen Harald Krebs, der die Grünen am Montagabend mit der Beendigung der bis dahin „intensiven und in guter Atmosphäre verlaufenen Gespräche“ überraschte. Als Hauptgründe für ihren Ausstieg nennt die SPD grundsätzliche Meinungsunterschiede in der städtischen Finanzpolitik und bei der Nordumgehung. Auch die Vorstellungen der SPD zur Gründung einer Stadtmarketing-GmbH fanden nicht den Beifall der Grünen.
Wie Vertreter der Verhandlungskommission von Bündnis 90/Die Grünen gestern gegenüber den GN erklärten, gab es in der Finanzpolitik vor allem Uneinigkeit bei der Finanzierung von mehr Ganztagsschulen. Dass die SPD die notwendigen Mittel in sechsstelliger Höhe durch Einsparungen bei der offenen Jugendarbeit habe bereitstellen wollen, war nach den Worten von Gisela Büsching-Stark, Elke Liening und Mathias Meyer-Langenhoff mit den Grünen nicht zu machen. „Das ist so nicht umzusetzen“, sagten die drei Mitglieder der neuen Ratsfraktion: „Die gute und zukunftsweisende Form der offenen Jugendarbeit wäre so in den Sand gesetzt worden. Zudem stellt sich die Frage, ob die Stadt mit dem Ausbau des Ganztagsschulangebotes Aufgaben des Landes übernehmen muss.“ Die von der SPD geforderte Verbindung zwischen Jugendpflege und Ganztagsbetreuung in den Schulen dürfe nicht zulasten offener Jugendarbeit gehen.
SPD-Vorsitzender Krebs bestätigt, dass für die SPD eine erhebliche Verbesserung der Ganztagsschulen Vorrang hat. Dabei habe sich die SPD finanzpolitisch darauf festgelegt, ohne Steuererhöhungen und ohne neue Schulden auskommen zu wollen.
Auch die Nordumgehung stellte bei den Verhandlungen eine Hürde dar: Zur Diskussion stand ein Vorschlag der Grünen, das alte Gutachten von 2006 durch ein neues Gutachten zur Nordumgehung in Auftrag zu geben. Während die SPD an dem Straßenbauprojekt festhält, lehnen die Bündnisgrünen die umstrittene Umgehungsstraße ab und sehen sich in dieser Haltung auch durch das Wahlergebnis bestärkt.
Weil sich laut Krebs beide Parteien einig waren, „eine strukturelle und umfassende Zusammenarbeit für die Dauer der gesamten Ratsperiode bis 2016 anzustreben“, standen nahezu alle Politikbereiche zur Debatte. Dabei wurden neben den Inhalten zugleich auch die sich daraus ergebenden finanziellen Folgen erörtert: „Hierbei zeigten sich letztlich grundsätzliche Meinungsunterschiede in der Finanzpolitik“, heißt es bei der SPD. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Theo Kramer zeigte sich nach dem Verlauf der Verhandlungen überzeugt, dass eine gemeinsame Haushaltspolitik mit den Grünen nicht über zwei Jahre hinaus tragbar gewesen wäre.
Das sehen die Grünen jedoch etwas anders. So habe die SPD fast alle Gelder zur Durchsetzung ihrer Projekte verplant und für grüne Vorhaben kaum noch etwas übrig gelassen. Dennoch seien bis zum Abbruch der Verhandlungen rund 80 Prozent des Gesamtkataloges einvernehmlich abgearbeitet worden. „Wir waren in den Verhandlungen auf den letzten 100 Metern angekommen“, sagt Büsching-Stark. Ohne Streit, sachlich und in freundlicher Atmosphäre hätte man sich bereits auf viele politische Ziele geeinigt – etwa in der Stärkung der Stadtbibliothek und des gesamten Kulturbereiches oder bei Investitionen in die „Wasserstadt“, in mehr städtisches Grün und eine Reihe von baulichen Planungsvorhaben.
Die Grünen hätten nach eigenem Bekunden das Koalitionsziel gerne weiter verfolgt und erreicht. „Wir haben den klaren Wählerauftrag, eine rot-grüne Gruppe zu bilden, nicht erfüllt“, kritisiert Meyer-Langenhoff den für ihn unverständlichen Ausstieg der SPD. Sonderlich erschüttert zeigten sich die Grünen aber nach der „Entlobung“ nicht. Der kommenden Ratsarbeit sehen sie mit Gelassenheit entgegen: „Wir richten uns auf fünf Jahre als Oppositionspartei ein und werden in allen Ausschüssen inhaltlich und sachlich orientierte Politik machen.“
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